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Wegfall der 70-%-Regel für Photovoltaik: Was ist zu tun?

Inhaltsverzeichnis:

Die 70-%-Regel ist Geschichte. Aber was bedeutet das konkret für Sie als Betreiber einer Photovoltaikanlage? Diese Regel war jahrelang ein fester Bestandteil der Photovoltaik-Landschaft. In der Praxis sah sie vor, dass Photovoltaikanlagen nur 70% ihrer Nennleistung ins öffentliche Netz einspeisen durften.

Das übrige Drittel musste entweder selbst genutzt oder gespeichert werden. Die Absicht dahinter war, Netzüberlastungen zu vermeiden und eine effizientere Nutzung der erzeugten Energie zu fördern.

wirkleistungsbegrenzung-2023

Doch seit kurzem ist diese Regel außer Kraft – eine Veränderung, die Auswirkungen auf bestehende und neue Photovoltaikanlagen hat. Der Wegfall der 70-%-Regel bedeutet, dass Photovoltaikanlagen nun 100 % ihrer Nennleistung ins Netz einspeisen dürfen. Das eröffnet einerseits neue Möglichkeiten, stellt andererseits aber auch Anlagenbetreiber vor neue Herausforderungen.

Mit der Abschaffung der Wirkleistungsbegrenzung ergeben sich folgende Fragen:

  • Welche Möglichkeiten ergeben sich daraus für Sie?
  • Und wie können Sie am besten auf diese Veränderungen reagieren?
  • Wie wirkt sich das auf die technische Umsetzung und die Wirtschaftlichkeit Ihrer Photovoltaikanlage aus?

In diesem Artikel geben wir einen Überblick über all diese Punkte und vieles mehr.

Um die Entwicklung der 70-%-Regel und ihren Wegfall besser zu veranschaulichen, finden Sie nachfolgend eine Zeitleiste. Sie gibt Ihnen einen schnellen Überblick über die wichtigsten Meilensteine und Veränderungen:

Wegfall der 70 Prozent-Regelung für PV

1. Was besagte die 70%-Regel bzw. Einspeisebegrenzung?

Vor 2023 mussten PV-Anlagen, die kleiner als 25 kWp waren, ihre Leistung auf 70 % ihrer maximalen Leistung begrenzen, wenn sie Strom ins Netz einspeisen. Das heißt, sie durften nicht mehr als 70 % ihrer maximalen Leistung ins Netz einspeisen. Diese Regel sollte verhindern, dass das Stromnetz überlastet wird. Sie wurde entweder durch eine Begrenzung der Leistung des Wechselrichters oder durch ein Energiemanagementsystem umgesetzt, das die Einspeisung auf maximal 70 % begrenzt. Diese 70-%-Regel war im EEG 2012 festgelegt (EEG 2012 Link).

  • Für Anlagen, die größer als 7 kWp sind, war ein Smart Meter oder eine Möglichkeit zur Fernsteuerung erforderlich.
  • Aber für kleinere private Anlagen war es oft wirtschaftlich nicht sinnvoll, solche teureren Maßnahmen einzusetzen. Für sie war die einfache Leistungsbegrenzung die einfachste Lösung.

Diese Wirkleistungsbegrenzung ist im September 2022 für neue Anlagen bis 25 kWp und ab 2023 für bestehende Anlagen bis 7 kWp aufgehoben worden. 

1.1. Wie beeinflusste die 70%-Regel die Wirtschaftlichkeit der Photovoltaikanlage?

Die 70-%-Regel hat die Menge an Solarstrom begrenzt, die Photovoltaikanlagen ins Netz einspeisen durften, auf 70% ihrer Gesamtkapazität. Das könnte theoretisch die Wirtschaftlichkeit einer Anlage reduzieren, da weniger Strom ins Netz eingespeist und damit vergütet werden konnte. Allerdings hat der Verlust durch diese Regelung in der Praxis oft keine große Rolle gespielt. Der Grund: In Deutschland erreichen Solaranlagen selten ihre Maximalleistung aufgrund der begrenzten Sonneneinstrahlung.

Daher war der "verlorene" Strom oft weniger, als man erwarten könnte. Außerdem konnte der nicht eingespeiste Strom für den Eigenverbrauch genutzt werden, wodurch die wirtschaftlichen Auswirkungen weiter reduziert wurden.

1.2. Anlagenleistung & Drosselung der Wirkleistungsbegrenzung

1.3. Wie wurde die Drosselung technisch umgesetzt?

Es existieren hauptsächlich zwei Wege, um die Wirkleistungsbegrenzung umzusetzen.

Erstens, die feste Drosselung des Wechselrichters auf 70 % der Generatorleistung. Hier berechnet der Installateur 70 % der Anlagenleistung und legt diesen Wert im Wechselrichter als maximale Leistungsgrenze fest. Sobald diese Grenze erreicht ist, wird keine weitere Energie eingespeist. Der Nachteil? Überschüssige Energie, die die 70 %-Grenze übersteigt, geht verloren. Bei einer optimal ausgerichteten Anlage in Südlage kann das zu einem Verlust von etwa 3 bis 5 % führen.

Die zweite Methode ist die variable Drosselung des Wechselrichters durch Messung der Einspeiseleistung. Dabei wird ein Datenlogger genutzt, der verschiedene Parameter aufzeichnet und visualisiert, zum Beispiel die Meldungen des Wechselrichters, des Energiezählers oder der Temperatursensoren. Der Clou: Der Datenlogger kann den Wechselrichter steuern und den Abregelungswert an den aktuellen Stromverbrauch des Hauses anpassen. Dadurch wird nur so viel Strom eingespeist, wie es die 70 %-Grenze erlaubt, und überschüssige Energie kann im Haushalt genutzt werden. Ein weiterer Pluspunkt: Sie müssen nicht ständig den Wechselrichter und den Einspeisezähler im Auge behalten.

Wer also eine solche Drosselung installiert kann diese nun entfernen. Wie das geht und ob das sinnvoll ist schauen wir uns jetzt genauer an.

2. Drosselung entfernen: Was kann man tun?

Mit dem Wegfall der 70-%-Regel ergibt sich eine neu Möglichkeit für Sie als Betreiber einer Photovoltaikanlage:

  • Betreiber von Anlagen, die nach dem 14. September 2022 installiert wurden, müssen nichts unternehmen.
  • Betreiber von Bestandsanlagen bis 7 kWp können ab dem 1. Januar 2023 die Aufhebung der Wirkleistungsbegrenzung beim lokalen Netzbetreiber beantragen.

Für bestehende Anlagen können Sie sich also mit Ihrem Netzbetreiber in Verbindung setzen, um die Aufhebung der Leistungsbegrenzung zu besprechen.

Die Beantragung erfolgt durch Ausfüllen des Formulars "Anmeldung zum Netzanschluss (ANA)". Diese erneute Antragstellung (ANA) ist vereinfacht und kann vom Anlagenbetreiber selbst durchgeführt werden. Jeder Netzbetreiber hat eigene  Formulare - Informationen zum Netzbetreiber finden Sie auf Ihrer Stromrechnung. Die Pflicht zur Antragstellung liegt beim Anlagenbetreiber.

 Hier ist eine einfache Schritt-für-Schritt-Anleitung für Sie:

  1. Kontaktieren Sie Ihren Netzbetreiber & stellen Sie den Antrag: Als nächstes setzen Sie sich mit Ihrem Netzbetreiber in Verbindung. Erklären Sie Ihre Absicht, die Leistungsbegrenzung aufzuheben und/oder eine neue Anlage zu installieren, und fragen Sie nach den spezifischen Anforderungen und Prozessen. Dann stellen Sie den Antrag und er Netzbetreiber prüft die Netzkapazität - die Anpassung der Wirkleistungsbegrenzung darf erst nach seiner Freigabe aufgehoben werden.
  2. Planen Sie die Änderungen: Basierend auf den Informationen, die Sie vom Netzbetreiber erhalten haben, erstellen Sie einen Plan für die anstehenden Änderungen. Dies kann die Umstellung Ihrer bestehenden Anlage oder die Installation einer neuen Anlage umfassen.

  3. Führen Sie die Änderungen durch: Nun ist es an der Zeit, die Änderungen tatsächlich durchzuführen. Je nachdem, was erforderlich ist, können Sie die Drosselungsfunktion manuell abschalten oder einen Fachmann damit beauftragen.

  4. Überprüfen Sie Ihre Anlage: Nachdem Sie die Änderungen vorgenommen haben, sollten Sie Ihre Anlage überprüfen, um sicherzustellen, dass alles ordnungsgemäß funktioniert.

  5. Halten Sie Kontakt mit Ihrem Netzbetreiber: Halten Sie Ihren Netzbetreiber über den Fortschritt auf dem Laufenden und stellen Sie sicher, dass Sie alle erforderlichen Dokumente und Nachweise bereitstellen.

Übrigens: Wenn der Netzbetreiber nicht innerhalb von acht Wochen antwortet, gilt dies als Zustimmung. Ab 2025 wird der Anschlussantrag digital über ein Webportal abgewickelt, und die Frist verkürzt sich auf 4 Wochen. § 8 Absatz 7 EEG 2023

Übrigens haben Sie keinen Zeitdruck zur Aufhebung der 70-%-Regel, die durch das EEG 2023 in Kraft tritt. Von daher ist es, die Aufhebung der Wirkleistungsbegrenzung bei Routine-Terminen, wie z.B. Wartungseinsätzen, in Auftrag zu geben.

2.1. Technische Umsetzung & Kosten

Ob es sich lohnt, die Wirkleistungsbegrenzung aufzuheben, hängt stark davon ab, wie diese ursprünglich eingerichtet wurde.

Wenn eine "harte" Abregelung am Wechselrichter vorgenommen wurde, begrenzt diese die Gesamtleistung der Anlage. An sonnigen Tagen, wenn mehr als 70 % der maximalen Leistung erreicht werden, stoppt die Produktion von Strom. Aber keine Sorge, nur Anlagen, die direkt nach Süden ausgerichtet sind, erreichen überhaupt diese Leistungsgrenze - und das auch nur selten. Bei Ost-West-Anlagen ist dieser Fall fast nie gegeben. Trotzdem kann diese "harte" Abregelung zu jährlichen Verlusten von 1 bis maximal 4 % führen, was bei einer 7 kWp-Anlage etwa 70 bis 280 kWh entspricht.

  • Die Aufhebung dieser Abregelung ist Aufgabe des Installateurs und erfordert einen Vor-Ort-Einsatz.
  • Daher sollten Sie überlegen, ob die zusätzliche Stromproduktion den Kosten für den Installateurbesuch rechtfertigt.

Eine Abregelung durch ein Energiemanagementsystem ist hingegen einfacher aufzuheben. Sie erfordert nur die Anpassung einiger Einstellungen, die jedoch nicht von den Anlagenbetreibern selbst vorgenommen werden dürfen, sondern von einer Fachperson. Falls diese Fachperson aber die Erlaubnis zur Fernwartung hat, kann sie die Aufhebung der Abregelung online durchführen.

  • Die Aufhebung dieser Abregelung in der Software erfolgt vom Fachmann Vor-Ort oder per Fernwartung.
  • Diese Methode ist normalerweise kostengünstiger als die vor Ort nötige Entsperrung des Wechselrichters.

3. Was sollte ich beachten, falls ich die Wirkleistungsbegrenzung beibehalte?

In diesem Abschnitt werden wir uns abschließend darauf konzentrieren, wie Sie mögliche Einnahmeverluste durch die 70%-Regel minimieren können, falls sie die Drosselung Ihrer Photovoltaik bestehen lassen.

Eine gute Nachricht vorweg: Es gibt durchaus einfache Strategien, die Ihnen dabei helfen, das Beste aus Ihrer Photovoltaikanlage herauszuholen!

  1. Ausrichtung Ihrer Photovoltaikanlage: Eine einfache Möglichkeit besteht darin, die Photovoltaikmodule auf Ihrem Dach in Ost-West-Richtung anzubringen. Auf diese Weise vermeiden Sie die starke Mittagssonne und damit die Gefahr, dass Ihre Anlage in den Leistungsbereich kommt, bei dem die 70%-Regel zur Anwendung kommen könnte. Zusätzlich profitieren Sie von einem hohen Eigenverbrauch, da Sie morgens und abends, wenn alle zu Hause sind, direkt die Energie der Ost- bzw. Westsonne nutzen können. Falls also z.B. auf einem Flachdach die Module optimiert werden können, wäre dies eine Variante. Wahrscheinlich wurde dies aber bereits bei der Errichtung der Anlage beachtet - kommen wir also zum nächsten Punkt.

  2. Gezielter Eigenverbrauch und Energiemanager: Eine andere Möglichkeit, der 70%-Regel zuvorzukommen, ist der gezielte Eigenverbrauch zur richtigen Zeit, also dann wenn viel Solarstrom erzeugt wird. Ein Energiemanager kann dabei eine große Hilfe sein. Dieses Gerät zur Optimierung des Verbrauchs ist mit der Photovoltaikanlage, Haushaltsgeräten und gegebenenfalls auch dem Stromspeicher vernetzt. Der Energiemanager sorgt dafür, dass so viel Solarstrom wie möglich selbst genutzt wird, was die 70%-Regel praktisch irrelevant macht.  Beispiele für den gezielten Eigenverbrauch, um die 70%-Regel effizient zu umgehen sind:

    1. Haushaltsgeräte betreiben: Nutzen Sie Geräte wie Geschirrspüler, Waschmaschine oder Trockner vorzugsweise während der Tagesstunden, wenn die Sonne scheint und Ihre Anlage am meisten Strom produziert. Durch das Einschalten dieser Geräte können Sie die erzeugte Solarenergie direkt verbrauchen und so die Einspeisung ins Netz reduzieren.

    2. Laden von Elektroautos: Wenn Sie ein Elektroauto besitzen, ist die Mittagszeit ideal zum Aufladen. So nutzen Sie den Solarstrom optimal und minimieren die Einspeisung ins Stromnetz.

    3. Prognosebasiertes Laden verwenden, was ebenfalls eine Abregelung der Anlage verhindert. Eine Software im Wechselrichter, erstellt hier eine Vorhersage, wie viel Energie in den nächsten Stunden erzeugt wird. Diese Vorhersage wird dann mit einer Schätzung des Energieverbrauchs im gleichen Zeitraum kombiniert. Basierend auf diesen Informationen entscheidet das Batteriespeichersystem, wann es am besten ist, die Batterie aufzuladen, um den höchsten Ertrag zu erzielen.
    4. Warmwassererzeugung: Wenn Sie einen elektrischen Warmwasserboiler haben, können Sie diesen auch während der Tageszeit betreiben, um überschüssige Solarenergie zu nutzen. Einige moderne Boilersysteme können sogar mit der Photovoltaikanlage synchronisiert werden, um genau dann Warmwasser zu erzeugen, wenn genügend Solarstrom vorhanden ist.

    5. Energieintensive Tätigkeiten: Verschieben Sie energieintensive Tätigkeiten auf den Tag, zum Beispiel das Aufladen von Elektrowerkzeugen oder das Betreiben von Poolpumpen und Klimaanlagen.

  3. Einsatz eines PV-Speichers: PV-Speicher können effektiv dazu beitragen, dass die 70%-Regel nicht zur Anwendung kommen muss. Wenn die kritische Grenze erreicht werden könnte, kann der Energiemanager rechtzeitig für eine verstärkte Speicherung der Energie im PV-Speicher sorgen. 

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